Verfall Greifswalder Altstadt

#1 von Egon , 26.10.2015 22:38

Im offiziellen DDR-Jargon galt Greifswald als blühende Stadt der Kernenergie, der Elektronik und der Wissenschaften. Doch die Wirklichkeit sah anders aus.
Etwa 140 Aufnahmen von Robert Conrad, der im letzten Jahrzehnt der DDR - von der Stasi misstrauisch beobachtet - mit Kleinbildkamera und kritischem Blick durch die Altstadtgassen seiner verfallenden Heimatstadt wanderte, zeichnen ein düsteres Bild von einer völlig verfehlten Baupolitik.
Selbst alteingesessene Greifswalder dürften aus heutiger Sicht beim Anblick der Aufnahmen erschüttert sein über das damalige Ausmaß des flächendeckenden Verfalls, sagt Museumsdirektor Uwe Schröder. Auf den größtenteils in Schwarz-Weiß gehaltenen Großabzügen sind windschiefe schmutzige Fassaden, schadhafte Dächer, von Schutt überzogene Straßen und Hinterhöfe, Abrissbirnen und Litfaßsäulen mit Losungen vom sozialistischen Aufbau zu sehen.
"Es war das Schlachten einer historischen Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg dank der kampflosen Übergabe unzerstört geblieben war", sagt Conrad, der sich zu DDR-Zeiten mit seinen alternativen Ansichten zum industriellen Plattenbau vergebens um ein Architekturstudium in Weimar beworben hatte.
Greifswald galt in den 1980er Jahren ebenso wie Gotha und Bernau als Pilotstadt für den Stadtumbau. Es habe an Material, aber auch an Fachkräften gefehlt, die Dachstühle sanieren oder Schwammbefall ausmerzen konnten, sagt Kurator Kai Kornow, der mit der Wende eine Bürgerinitiative zur Altstadtrettung gegründet hatte. Die Baustadtplaner hätten in den letzten Jahren der DDR erkannt, dass mit den verfügbaren Mitteln sowieso kaum noch etwas zu retten gewesen sei. Deshalb wurden ganze, verfallene Stadtquartiere abgerissen und durch eine modifizierte Plattenbebauung ersetzt.
Dass es auch andere Pläne gab, mit gänzlich neuen Hochhaus-Straßenzügen auf einer plattgewalzten Altstadt, zeigen Unterlagen und beängstigende Architekturkonzepte in einer kleinen ergänzenden Ausstellung. Zugleich dokumentieren Veröffentlichungen wie in der Zeitschrift "Neue Heimat", dass das Abriss- und Neubaugeschehen in Greifswald im Westen nicht nur auf Kritik, sondern durchaus auch auf Interesse gestoßen war. Man dürfe nicht ausblenden, dass der Wert der Altbausubstanz damals auch in der BRD oder zum Beispiel in Schweden weit weniger geschätzt worden sei als heutzutage, sagt Conrad.
Den Honecker-Besuch zur Wiedereinweihung des Greifswalder Doms in 1989, als für den Stadtrundgang Fassaden von Ruinen getüncht worden waren, habe er nur aus der Ferne erlebt. Heute mache es ihm Spaß, wieder nach Greifswald zurückzukehren, sagt er. "In der Altstadt ist baulich so viel passiert seit der Wende."

 
Egon
Beiträge: 22
Punkte: 26
Registriert am: 18.10.2015


RE: Verfall Greifswalder Altstadt

#2 von schmidti , 26.10.2015 22:40

Als Honecker KKW und Greifswald in den 70gern besuchte war Verschönerung angesagt. Auf einmal waren Baumaterial und Bauleute vorhanden.
Aber es konnte nur die Strassenfront "verschönert" werden. Eben wie eine Filmkulisse. Die Straßenfront durch Stützen gehalten und dahinter Ruinen. Erich war angetan von Erhalt der Altstadt.
Diese Maßnahme stieß bei den Greifswaldern bitter auf. Sie fühlten sich verarscht.
Das ist aber auch ein gutes Beispiel dessen, dass höhere Chargen in der DDR auch getäuscht wurden. Da die Kreis-und Bezirksfürsten ihren Rayon in ein Licht setzten, welches in Realität nicht gegeben war.

 
schmidti
Beiträge: 28
Punkte: 48
Registriert am: 16.10.2015


RE: Verfall Greifswalder Altstadt

#3 von Blauer Engel , 26.07.2016 09:29

Greifswald 1956-1958: https://www.youtube.com/watch?v=xhjLEePtDRY

Greifswald in den 1980gern: https://www.youtube.com/watch?v=E1DhaRgqsOI

Impressionen Greifswald 1988: https://www.youtube.com/watch?v=t1vzHBTkUFw
Rundfahrt um Greifswald 1988 ( Ludwigsburg, Lubmin, Rügen mit Granitz, Königstuhl, Kreidefelsen.):https://www.youtube.com/watch?v=SgSMFI2H-C0

Impressionen aus Greifswald 1992-1995: https://www.youtube.com/watch?v=MA_NTpVO2h0

Blauer Engel  
Blauer Engel
Beiträge: 30
Punkte: 58
Registriert am: 24.02.2016


RE: Verfall Greifswalder Altstadt

#4 von Uli-HGW ( gelöscht ) , 29.10.2016 21:56

Der Verfall ist Dank dem Ende der DDR gestoppt. Immer noch ist viel zu sanieren.

Im Greifswalder Domturm haben Zimmermannsleute diese Woche eine überraschende Entdeckung gemacht: Unter einer alten morschen Schwelle, die sie im Zuge der Turmsanierung austauschten, fanden sie einen verwitterten Krug, einen Becher und zwei helle Granitkugeln.

Aus welcher Zeit diese Funstücke stammen, ist noch völlig unklar, aber „sie könnten spannend sein für die Stadtgeschichte“, meint Dompastor Matthias Gürtler. Bei den Kugeln könne es sich um steinerne Kanonenkugeln handeln, wie sie bis in die Neuzeit verwendet wurden. „Und Krug und Becher könnten mit dem Bau der Turmspitze zusammenhängen.“
1650 war die Domspitze umgestürzt, die neue wurde 1652 fertig. Vielleicht hätten die Handwerker mit Krug und Becher die Einweihung gefeiert.

Uli-HGW

RE: Verfall Greifswalder Altstadt

#5 von Sonja , 12.01.2024 19:18

2360/2361 Knopfstraße 1986 - 2023, Foto: Helmut Martens.


Angefügte Bilder:
knopfhgw.jpg  
Sonja  
Sonja
Beiträge: 4
Punkte: 4
Registriert am: 01.04.2022


   

Greifswald-Ladebow....
Meldungen

Xobor Forum Software von Xobor
Datenschutz