Der alte Hauptbahnhof Potsdam
Genau, der Hauptbahnhof ist (heute) in der City. Zu DDR-Zeiten aber nicht. Damals war der Hauptbahnhof einige Kilometer auswärts in der Pirschheide und wurde 1958 eröffnet,
Durch den Vier-Mächte-Status der vormaligen Reichshauptstadt und die sich vertiefende Spaltung Berlins und Deutschlands verkomplizierte sich für die Deutsche Reichsbahn (DR) in der DDR die Situation im Eisenbahnverkehr in und um West-Berlin. Zur Lösung dieses Problems wurde eine Umfahrung geplant, welche die Verbindung des nordwestlichen, westlichen und südwestlichen Berliner Umlandes mit der nunmehrigen Hauptstadt der DDR, Berlin (Ost), unter Umgehung West-Berlins sicherstellen sollte. Bis 1954 waren große Teile des neuen Außenrings fertiggestellt, am 30. September 1956 konnte der letzte Ringabschnitt Golm – Saarmund mit Querung des Templiner Sees am Rande von Potsdam in Betrieb genommen werden.
Der Bahnhof an der Kreuzung des Berliner Außenrings mit den Bahnlinien von Potsdam Stadt (heute Potsdam Hauptbahnhof) – Seddin Güterbahnhof/Seddin – Michendorf und dem Berliner Außenring mit Abzweig an die Strecke nach Werder – Brandenburg wurde 1956/57 errichtet und am 18. Januar 1958 unter der Bezeichnung Potsdam Süd offiziell eingeweiht. Er liegt in der Pirschheide, etwa 0,8 km vom südlichen Ende der städtischen Bebauung und 3 km von der Innenstadt entfernt.
Projektiert wurde der Bahnhof vom Entwurfsbüro der Deutschen Reichsbahn. Als Architekten werden Wolfgang Dreßler und Walter Mempel genannt. Das Bauwerk wurde als Turmbahnhof am Schnittpunkt beider Bahnstrecken konzipiert und verfügte im unteren Bahnhofsteil über einen Bahnsteig mit zwei Gleisen und im oberen Teil über zwei Mittelbahnsteige mit vier Gleisen sowie zwei Durchgangsgleise für den (sehr starken) Güterverkehr. Mittels Treppen und Tunneln wurden alle Bahnsteige miteinander verbunden. Ein größeres Bahnhofsgebäude wurde im typischen Baustil der späten 1950er Jahre errichtet. Von dessen Halle führte ein Tunnel zum unteren Bahnsteig und ein weiterer Tunnel zu den Aufgängen für die oberen Bahnsteige. Das Gebäude beherbergte neben der Fahrkartenausgabe bahnhofstypische Einrichtungen für Handel und Gastronomie sowie Räumlichkeiten für Bahnangestellte.
Der Bahnhof wurde am 2. Oktober 1960 in Potsdam Hauptbahnhof umbenannt.Der alte Potsdamer Bahnhof, der näher an der Innenstadt lag, erhielt den Namen Potsdam Stadt und diente nach Errichtung der Berliner Mauer bis 1990 lediglich dem Nahverkehr mit Dieselzügen. Der gesamte Potsdam tangierende Binnenfernverkehr und auch Interzonenzüge (Aachen/Köln – Görlitz und Rostock – München) wurde hier abgewickelt. Der schnelle Nahverkehr nach Berlin (Ost), der mit zunächst dunkelgrünen, später rot-beigen Doppelstockzügen betrieben wurde, wurde unter der inoffiziellen Bezeichnung Sputnik bekannt. Die oberen Gleise waren oft überlastet, so dass nicht selten Züge auf freier Strecke warten mussten. Vom unteren Bahnsteig fuhren Nahverkehrszüge nach Babelsberg über Potsdam Stadt und in Richtung Wildpark respektive Beelitz – Jüterbog.
Eine Neubautrasse der Potsdamer Straßenbahn mit Endhaltestelle am Bahnhofsvorplatz wurde am 11. Januar 1958 in Betrieb genommen. Daneben wurden ein Busbahnhof, ein Taxistand, eine Tankstelle sowie Stellplätze für Fahrräder realisiert.
Mit der Wiedervereinigung verlor der Bahnhof an Bedeutung, da der Personen-Fernverkehr wieder über die Berliner Stadtbahn statt über den Berliner Außenring geführt wurde. Seit 1991 hielten keine Fernzüge im Bahnhof, der 1993 in Potsdam Pirschheide umbenannt wurde. Der Bahnhof Potsdam Stadt erhielt seine ursprüngliche Funktion als Hauptbahnhof der Stadt zurück und wurde 1999 in Potsdam Hauptbahnhof umbenannt. Der Bahnhof Pirschheide blieb zunächst noch im Regionalverkehr von Bedeutung. Neben den Sputnik-Zügen nach Werder (Havel) bzw. Flughafen Berlin-Schönefeld–Berlin-Karlshorst im Stundentakt fuhren bis 1994 noch Züge auf dem westlichen Außenring nach Falkenhagen bzw. zeitweise in der durchgehenden Relation Oranienburg–Ludwigsfelde. In der Mitte der 90er Jahre gab es kurzzeitig den Versuch, eine Regionalexpress-Linie von Potsdam nach Finsterwalde und Cottbus einzurichten. Trotz eines direkten Straßenbahnzubringers in Pirschheide wurde diese Linie kein Erfolg und 1997 wieder eingestellt. Vom unteren Bahnhofsteil verkehrten Züge alle zwei Stunden in Richtung Beelitz – Jüterbog bzw. Potsdam Stadt. Die Fahrkartenschalter im Bahnhof wurden 1994 mangels Bedarfs geschlossen, die Geschäfte bereits vorher.
1998 bekam die direkte Linie nach Schönefeld einen neuen Verlauf und verkehrt seitdem durch den unteren Bahnhofsteil. Auf den oberen Gleisen verblieb bis 1999 noch ein einziges Zugpaar von Strausberg nach Golm. Seit 1999 ist dieser Bahnhofsteil geschlossen. Allein die zwei durchgehenden Durchfahrtsgleise sind in Betrieb.
Geisterbahnhof
Die Anlage wurde nach Jahren der Schließung zu einem dem Verfall preisgegebenen Geisterbahnhof. Wildwuchs auf den Bahnsteigen, zerschlagene Scheiben der abgeriegelten Treppenhäuser und verbretterte Wartesäle prägen das Bild, zudem sind alle Wände mit Graffiti bemalt, nur das Bahnsteigdach ist noch intakt. Die Gleise an den Bahnsteigen des „oberen Bahnhofs“ und sämtliche Weichenverbindungen sind zurückgebaut worden. Es existieren nur noch die beiden durchgehenden Hauptgleise. Die alten Informationsanzeiger aus tschechoslowakischer Produktion an den oberen Bahnsteigen sind noch vorhanden, wenn auch nicht mehr funktionstüchtig und ohne Scheiben. Seit der Elektrifizierung des unteren Gleises im Jahre 1999 ist nur noch ein Gleis (Gleis 1, das ehemalige Gleis 7) in Betrieb. Die Ausfahrsignale des Kreuzungsgleises sind abgedunkelt, aber betriebsfähig die Weichen sind festgelegt, aber noch vorhanden.
Der untere Bahnsteig wird vom Regionalverkehr genutzt. Von 1998 bis 2011 fuhr dort die Linie RB 22 von Potsdam über Caputh nach Schönefeld, seit Dezember 2011 hält die Regionalbahnlinie RB 23 von Potsdam nach Michendorf in Pirschheide. Die Linie RB 22 verkehrt seitdem über den Berliner Außenring und durch die Anlagen des ehemaligen oberen Bahnhofsteils von Pirschheide.