07.03.2022
Jobcenter schlagen Alarm: Millionen Menschen droht Energiearmut
Nun warnen sogar die Jobcenter: Hartz 4-Haushalte können die aktuelle Preisexplosion bei den Energiekosten nicht aus den aktuellen Regelsätzen bezahlen. In einem Brandbrief wenden sich die Leitungen der Jobcenter in NRW an den Arbeitsminister Hubertus Heil und fordern schnelle Hilfe.
Leitungen der NRW-Jobcenter wenden sich an Arbeitsminister Heil
Das passiert nicht alle Tage: Die Leitungen der Jobcenter wenden sich an den Arbeitsminister, weil sie eine existenzgefährdende Situation für Hartz 4-Empfänger:innen entstehen sehen. Das geht aus einem Brief der Jobcenter-Leitungen ans Arbeitsministerium von Mitte Februar hervor, der jetzt bekannt geworden ist.
Immer mehr Leistungsberechtigte werden im Jahr 2022 von Energiearmut betroffen sein. Dabei geht es den Jobcentern nur um die steigenden Strom- und Heizrechnungen – dass auch Lebensmittel teurer werden, wenn die Spritpreise steigen, ist hier noch gar nicht eingerechnet.
Wegen explodierender Stromkosten droht Millionen Energiearmut
Wenn die Heizkosten steigen, ist eindeutig, wer dafür zuständig ist und wie die Kosten übernommen werden müssen: Die Kommunen müssen die Kosten der Unterkunft zahlen – und sie müssen das auch bei einer Preissteigerung tun. Hartz 4-Empfänger:innen können die Heizkostennachforderung also einfach beim Jobcenter abgeben. Weigert sich das Jobcenter, die Kosten zu übernehmen, können sie mit einem Widerspruch dagegen vorgehen.
Beim Haushaltsstrom, also der normalen Stromrechnung für den Betrieb von Herd, Wasserkocher usw. sieht die Sache aber anders aus. Die Kosten müssen Hartz 4-Empfänger:innen aus dem Regelsatz bezahlen, der dieses Jahr um satte 3 EUR gestiegen ist. Der Regelsatz wird vom Bund ausgezahlt und festgesetzt. Die Jobcenter-Leitungen weisen jetzt darauf hin, dass der Regelsatz-Anteil für Haushaltsstrom sich im Moment nach Vergleichswerten von 2018 bemisst und „in keiner Weise den Preisentwicklungen der jüngsten Vergangenheit Rechnung” trägt.
Jobcenter sehen den Bund in der Pflicht
Es drohen Stromnachzahlungen, die besonders ALG II-Empfänger:innen hart treffen, die jetzt schon vorherige Stromschulden in Raten beim Energieversorger abstottern. Und das Problem betrifft keineswegs nur ein paar Wenige, die schlecht gewirtschaftet haben, sondern die Mehrheit der ALG II-Haushalte. Das sehen auch die Jobcenter so: „Nach unserer Einschätzung wird von dieser Problematik die Mehrheit der SGB II-Haushalte betroffen sein, so dass hier dringender Handlungsbedarf geboten ist.”
Nach Ansicht der Jobcenter-Leitungen darf die Regierung das Problem nicht einfach aussitzen, bis im normalen Verfahren die Regelsatzanpassung den Anteil für Stromkosten erhöht. Das begründen sie mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2014, in dem es heißt: „Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.” Wie die Regierung nun reagiert, bleibt abzuwarten.