Stadtbahn-Sperrung: Warum vom Zoo zum Alex keine S-Bahnen mehr fahren
Bis kurz vor Beginn der Sommerferien wird noch gewartet, aber dann geht’s los. Die Stadtbahn, die das Zentrum von Ost nach West durchmisst, wird zur Baustelle. Mitte Juli wird die S-Bahn-Strecke zwischen Alexanderplatz, Friedrichstraße, Hauptbahnhof und Tiergarten gesperrt.
Danach sind im S-Bahn-Verkehr weitere Beeinträchtigungen zu erwarten – bis in den September hinein. In den nächsten Jahren geht es weiter. Betroffen ist eine stark genutzte Strecke, auf der mit der S3, S5, S7 und S9 vier Linien verlaufen.
S-Bahn: Das runde grüne Signet mit dem weißen S steht für Stadtschnellbahn. Stadtbahn: So heißt die rund 12,1 Kilometer lange Hochbahntrasse, die zwischen dem heutigen Ostbahnhof und dem Bahnhof Charlottenburg das Berliner Zentrum von Ost nach West durchfährt. Das sechs Meter hohe Viadukt mit 52 Straßenunterführungen wurde am 7. Februar 1882 für den Nah- und am 15. Mai 1882 auch für den Fernverkehr eröffnet. Über acht Kilometer verläuft die Strecke auf 731 gemauerten Bögen.
Im Osten folgt die Strecke zum Teil der alten Stadtbefestigung. Sie begrub den übel riechenden Königsgraben unter sich und wurde auch zur Gentrifizierung genutzt. Die Gasse An der Königsmauer war Berlins am stärksten frequentierter Bordellstandort und galt als Brutstätte des Verbrechens. Eigentlich sollte die Stadtbahn um ein Fünftel kürzer ausfallen – wären da nicht die Spekulanten gewesen, um deren teuer gewordene Grundstücke man herumbauen musste. Als die viergleisige Trasse endlich fertig war, wurde sie als „Stolz der Reichshauptstadt“ gepriesen. Nicht ganz zu Unrecht: Bis heute beneiden Verkehrsplaner in Paris und London Berlin um diese Durchmesserstrecke.
S-Bahnen sind seit 1928 unterwegs. Zu Mauerzeiten querten die Züge aus Wannsee zwischen dem Lehrter Stadtbahnhof (heute steht dort der Hauptbahnhof) und Friedrichstraße, damals Grenzübergang, den Todesstreifen Zwar wurde die Stadtbahn von 1994 bis 1998 saniert. Trotzdem ergibt sich immer wieder Baubedarf. So nimmt sich DB Infra Go, die für die Infrastruktur verantwortliche Bahntochter, jetzt die Brücke Alt-Moabit vor. Im Bahnhof Friedrichstraße stehen Weichenerneuerungen an. Und dann ist da noch eine Buchstabenkombination, die Laien Rätsel aufgibt: Es geht auch um FÜK.
FÜK bedeutet Fahrbahn- oder Fugenübergangskonstruktionen. Sie befinden sich an den Fugen zwischen den Brückenbauwerken am Hauptbahnhof. Schon bald nach dessen Eröffnung 2006 stellte sich heraus, dass die Konstruktionen den Anforderungen nicht genügen. So musste im Fern- und Regionalzugverkehr die Geschwindigkeit beschränkt werden. Insgesamt 38 FÜK befinden sich in den Gleisen der Strecken 6024 (S-Bahn) und 6109 (Fernbahn). Zwei wurden probeweise 2019 saniert, jetzt geht es in die Vollen.
Das Projekt soll bis 2027 dauern. Die Ausschreibungsunterlagen sehen vor, in diesem und im kommenden Jahr insgesamt sieben dieser Konstruktionen zu erneuern – vier bei der S-Bahn, drei auf der Trasse für den Fern- und Regionalzugverkehr. Den Anfang macht die S-Bahn-Trasse.
Dass wegen dieser und den anderen Bauarbeiten so lange keine S-Bahnen fahren können, liegt auf der Hand. Vom 17. Juli, 4 Uhr früh, bis 29. Juli, 1.30 Uhr, sei zwischen Alexanderplatz und Tiergarten kein S-Bahn-Verkehr möglich, heißt es in der Info-Zeitung Punkt 3. Betroffen sind die S-Bahn-Linien S3, S5, S7, S75 und S9, die unterbrochen oder verkürzt werden und zum Teil mit anderem Fahrplan verkehren.
Schienenersatzverkehr, kurz SEV, wird eingerichtet. Die Busse werden zwischen Alexanderplatz und Zoologischer Garten fahren. Zum Glück sind die beiden anderen Ost-West-Adern intakt. Dazu zählt der Regionalverkehr auf der Stadtbahn, der regulär fährt. „Die Fernbahngleise und damit der Fern- und Regionalverkehr sind von der Sperrung in den Sommerferien nicht betroffen“, bestätigte ein Bahnsprecher. Auch die U-Bahn-Linie U2 der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) steht weiterhin zur Verfügung. Zur weiträumigen Umfahrung eignen sich zudem die S-Bahn-Linien auf dem Ring.
Weitere Bauabschnitte würden folgen, heißt es in Punkt 3. So bleibt die S-Bahn-Strecke zwischen Friedrichstraße, Hauptbahnhof und Tiergarten weiter gesperrt – und zwar bis zum 7. August, 1.30 Uhr. Damit dauert die S-Bahn-Sperrung dort drei Wochen.
Danach fahren wieder S-Bahnen – zwischen Friedrichstraße und Zoo jedoch nur im 20-Minuten-Takt, und auf der Linie S7. Der Grund für die Einschränkung: Die Trasse ist lediglich eingleisig befahrbar. Vom 4. September, 4 Uhr, bis 9. September, 1.30 Uhr, schließt sich eine erneute S-Bahn-Sperrung zwischen Friedrichstraße und Tiergarten an. Auch dann wird es wieder Schienenersatzverkehr geben. Ursprünglich hatte es geheißen, dass die S-Bahn-Trasse durchgehend von Mitte Juli bis September gesperrt wird.
Klar ist: Danach wird es noch lange nicht vorbei sein, das leidige Thema FÜK bleibt Bahnplanern und Fahrgästen erhalten. „Auch für 2025 und 2026 sind Bauarbeiten auf der Stadtbahn geplant, auf S- und Fernbahngleisen“, bekräftigte der Bahnsprecher.