Mit Verbitterung und Ironie legt ein Ingenieur Zeugnis ab über den Alltag in der DDR.
Ganz im Gegensatz zu manch verklärenden Gedanken hier.
200 Seiten durch eine Autorin ( Mainzer Historikerin) auf Basis eines Tagebuches des Entwicklungsingenieurs ( Chemiker ) Biebl aus dem Chemiefaserwerk Premnitz.
Herausgegeben durch die Landesbeaufragte zur Aufarbeitung der DDR Diktatur Ukrike Poppe.
Gerade dort setzte dann mein Verstand wieder ein. Denn hier kommen Aufzeichnungen die genau in die Arbeitsrichtung dieser Landesbeauftragten passen. Alles Negative der DDR herauszustellen.
Andererseits lassen sich erfahrungsgemäß viele Eindrücke vom Biebl einfach nicht von der Hand weisen.
Sein Tagebuch begann am 30.12.1982 und wurde aus Langeweile in der Arbeitszeit geschrieben.
Die Brigade trinkt Hagebuttentee mit Wodka und Köm und macht Witze darüber, das es vor 30 Jahren in der Kanine Bier gab aber im Werk keinen Alkoholismus.
Er nennt sich " ein bezahlter Arbeitsloser " weil in der täglichen Arbeit keine Aufgaben anstanden. Außer " Schule der sozialistischen Arbeit" lag oft im Wochenarbeitsplan nichts an.
Und wenn der Betrieb mal wieder zu de Besten gekürt wurde, nannte er es Beschiss.
Denn Pläne wurden nie erfüllt trotz Auflage der Planübererfüllung. Dies gelang nur mit Hilfe derer von Oben. Da die Planzahlen nicht erfüllt wurden, kamen dann per Fernschreiben neue nach unten korrigierte Planzahlen. Aus denen dann aus den aktuellen Zahlen ( der Nichterfüllung) dann wieder eine Planübererfüllung wurde.
7000 Beschäftigte hatte damals in den 80gern das Chemiefaserwerk Premnitz.
In den Buch wurden dann die Aufzeichnungen vom Biebl ergänzt durch Berichte des Ex-Betriebsdirektors und anderen EX-Betriebsangehörigen.
Schon seltsam wenn in Produktionsräumen die Produktion eingestellt werden musste wegen defekter Leichtmittel. Ersatz war nicht aufzutreiben.
Oder berichtet über Besuch EH und das Herausputzen des Betriebes und das Zeigen eines unrealen geschönten Werkes.
Beschrieben wurde die Abgehobenheit von SED Funktionären und die Leere in den Ladenregalen.
1983 beendete Biebl seine Aufzeichnungen auf Druck seiner Frau aus Angst vor der Stasi. Aber in Stücken ging es weirer
1984 sollten dann 7 Erfinden abgeliefert werden- sonst keine Jahresendprämie. Arbeiten ?
1988 dann der Besuch von EH.
Er endet mit 1989 und das dieses Tagebuch ein Teil seiner Überlebensstrategie in der DDR gewesen wäre mit einer "Ventil-Funktion" zum Dampf ablassen.
Es aus heutiger Sicht logisch findet und begreift, warum 1989 Millionen Menschen auf die Strasse gingen, um das verhasste politische System abzuschütteln.
Biebl starb vor 2 Monaten mit 87 und konnte die Veröffentlichung nicht mehr miterleben.
Das Buch " Alltag im ostdeutschen Premnitz" ist im Buchhandel erhältlich oder für 3 euro + Porto bei der Landesbeauftragten.
roberto